Heute gibt es Hund - oder: der große Vorurteilscheck

Heute gibt es Hund – oder: der große Vorurteilscheck

Sie essen Hunde, spucken auf den Gehsteig und können kein ‚r‘ aussprechen:

Vorurteile über Chinesen kennt jeder, sie werden auf die wundersamsten Arten inszeniert und übertrieben. Doch welche Vorurteile haben tatsächlich einen wahren Kern? Und was ist purer Schabernack, wenn nicht sogar Rassismus?

1. Chinesen essen Hunde

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Protestanten auf dem alljährlichen Yulin Hundefleisch Festival

Wie bei vielen Vorurteilen, stimmt dieses in Ansätzen und hat einen wahren Kern. Tatsächlich stammt der Konsum von Hundefleisch noch aus dem 2.

Jahrhundert vor Christus und hat sich seitdem in einigen Teilen Chinas gehalten. In Regionen wie Guangdong, Yunnan und Guangxi, aber auch den nördlichen Provinzen von Heilongjiang, Jilin und Liaoning, werden die Tiere noch als Mahlzeit serviert.

Am bekanntesten ist das sogenannte Hundefleisch Festival, welches seit 2009 in Yulin, Guangxi stattfindet. Anlässlich werden rund 10.000 Hunde geschlachtet.

Es lässt sich allerdings sagen, dass auch die meisten anderen Chinesen über diesen Konsum die Nasen rümpfen.

Fragt man einen Pekinesen oder Einwohner von Shanghai, werden diese einem mit einer hohen Wahrscheinlichkeit versichern, selbst noch nie Hundefleisch gegessen zu haben.

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Chinesen essen Hunde? Stimmt das?

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2. In China spuckt jeder auf den Gehsteig 

Verbot des Spucken auf Gehsteige

Kaum landet man in Peking auf dem Flughafen, wird man von röchelnden Chinesen begrüßt, die einen Husten entladen, der sich für uns schon fast nach Lungenkrebs anhört.

Und läuft man durch die Straßen von Großstädten, spuckt obligatorisch jeder zweite auf den Gehweg oder die Straße, sei es Fußgänger oder Moped Fahrer.

Für uns mehr als unhöflich und unfein, in China normal.

Es ist für die meisten Chinesen nicht der Überlegung wert, mit dem Spucken aufzuhören. Ganz im Gegenteil, es gehört schon gewissermaßen zur Kultur.

Tatsächlich allerdings existieren seit 2002 schon Geldstrafen in Großstädten, sollte man beim Entladen des eigenen Speichels ‚erwischt‘ werden.

Diese werden allerdings größtenteils ignoriert.

3. Chinesen können kein ‚r‘ aussprechen

Chinesische Schriftzeichen mit Pinyin

Ein Vorurteil, das so ziemlich jedem bekannt ist, behandelt die Aussprache des ‚r’s von Chinesen.

Witze, in denen Chinesen statt eines R’s ein L sprechen sind vielen wahrscheinlich schon begegnet.

Kaum eine Impression eines Chinesen würde ohne diesen Austausch überhaupt funktionieren. Doch kennen die Chinesen wirklich kein R?

Sobald man beginnt, Mandarin zu lernen, fällt einem natürlich auf, dass es ein Pinyin R gibt. 日(rì),热(rè),人(rén)- Alles Wörter, die scheinbar mit einem r beginnen.

Doch schnell wird klar, dass das chinesische R komplett verschieden dem Deutschen oder Englischen R ausgesprochen wird.

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So lässt sich also sagen, dass unser R im Chinesischen nicht existiert, uns allerdings auch deren R unbekannt ist. Während also der Leichtigkeit halber die Pinyin Übersetzung einem r entspricht, handelt es sich bei dem Buchstaben eigentlich um einen Retroflex, also einen Laut, der mit zurückgebogener Zungenspitze gebildet wird.

Sucht man also nach Wörtern, die als Suffix ein R besitzen, wird das schon schwieriger.

Hier kommt dann allerdings als Besonderheit der Peking Dialekt dazu, in welchem gerne ein 儿(ér) an Wörter angehängt wird. So zum Beispiel 点儿(diǎn‘ér) oder  哪儿 (nǎ’er).

Allerdings wird auch dieses Suffix anders als unser R ausgesprochen und wird insbesondere für deutsche Lernende oft zum Problem.

Insgesamt lässt sich also sagen: Ja, Chinesen haben ein Problem mit der Differenzierung unseres L und R, so wie auch uns in Sprachen wie Spanisch das r zum Verhängnis werden kann.

4. Chinesen sehen alle gleich aus

Einmal alle gleich bitte?

Die Bustüren öffnen sich, ein Schwall kleiner, dunkelhaariger Leute mit Spiegelreflexkameras springt heraus, stellt sich in verschiedenen Aufstellungen vor dem Brandenburger Tor auf, schießt ein paar Bilder, 5 Minuten später sind sie wieder weg.

Kommentar der Frau neben mir: „War das jetzt eine große Familie, oder wieso sahen die alle gleich aus?“

Ein vietnamesisches Mädchen auf meiner Schule regt sich regelmäßig darüber auf, wie sie oft als japanisch oder chinesisch kategorisiert wird. Koreaner, Taiwanern, Japaner, Chinesen – sie alle werden von uns Europäern regelmäßig in einen Topf geworfen.

Beginnt man allerdings genauer auf Aussehensmerkmale zu achten, fällte einem schnell auf, wie groß die ethnischen und somit auch äußeren Unterschiede zwischen Asiaten aus verschiedenen Regionen sind.

Sollte man also sehr oberflächlich sein, fällt es natürlich leicht, alle Chinesen in einen Topf zu schmeißen.

Diese Leute sind allerdings auch die ersten, die aufschreien, wenn sie erfahren, dass wir für Chinesen ebenfalls alle gleich aussehen und diese kaum Unterschiede zwischen verschiedenen Europäern erkennen…

5. In China ist jeder laktoseintolerant

Vertragen wirklich nur die wenigsten Chinesen Kuhmilch?

China besitzt den niedrigsten Pro-Kopf Verbrauch von Milchprodukten weltweit.

Erst in den letzten Jahren, nachdem die chinesische Regierung eine Ernäherungsoffensive startete, um die positiven Effekte von Milchprodukten der Bevölkerung anzuwerben, stieg der Konsum dieser. Heutzutage liegt der jährliche Verbrauch von Milchprodukten eines durchschnittlichen chinesischen  Haushalts bei etwa 1/5 eines Europäischen. Wirklich beliebt sind nur Joghurts, die bereits seit einer langen Zeit hohe Popularität besitzen.

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Hierbei lässt sich natürlich feststellen, das selbst laktoseintolerante Menschen Joghurt vertragen.

Und schenkt man aktuellen Studien Glauben, die zwar eine Laktoseintoleranz bei 90% der chinesischen Bevölkerung feststellen, akute Beschwerden allerdings nur bei ca.

29% von diesen, lässt sich also der aktuelle Milchboom durchaus nachvollziehen.

Tatsächlich machte ich eine gegensätzliche Erfahrung zu diesem Vorurteil in China:

Als ich 2018 zum ersten Mal Peking besuchte, ging ich davon aus, keine Probleme mit meiner Laktoseintoleranz haben zu werden.

Allerdings wurde mir bereits am ersten Morgen Milch zum Frühstück gegeben, dazu noch Joghurt: Meine Gastmutter fiel aus allen Wolken, als sie erfuhr, dass ich all dies nicht sonderlich gut vertrage…

6. Hauptmahlzeit ist immer Reis

Reis zum Frühstück, zum Mittag und zum Abendessen?

Woran denkt man, wenn das Wort ‚China‘ im Raum hängt?

Pssst, Spoiler: Mit einer hohen Wahrscheinlichkeit wird man um Reis nicht herumkommen.

Verständlicherweise: China und Reis, das ist wie Italien und Pasta, Mexiko und Tortillas, Deutschland und Bier.

Der Reisanbau in China geht tatsächlich bis auf 5000 v.Chr. zurück, und heute ist das Land immer noch für ungefähr 30% der weltweiten Reisproduktion verantwortlich!

Gleichzeitig ist China auch der weltweit größte Importeur von Reis. Das Getreide ist Grundnahrungsmittel im ganzen Land. Die wenigsten traditionellen Gerichte sind ohne irgendeine Form von Reis komplett.

Zwar wird er niemals alleine gegessen, sondern als Füllung des Magens zusätzlich zu den besonderen Nebenspeisen.

Außerdem wird Reis noch vielfältig weiterverarbeitet, zum Beispiel zu Reiskuchen, Reiswein oder Reismehl.

Natürlich gibt es aber auch Speisen, die ohne Reis zubereitet werden, zum Beispiel  饺子(jiǎozi/Dumplings)oder 炸酱面(zhájiàngmiàn/ein typisches Nudelgericht). Allerdings ist grob gesagt Reis Hauptbestandteil der meisten traditionellen Gerichte.

7. Jede Familie hat nur ein Kind

Lange führte die chinesische Regierung eine Propagandaoffensive für die Ein-Kind Politik durch

Mutter, Vater, Kind: Das perfekte Bild einer Familie wurde in kaum einem Land so sehr beworben wie in China.

Jedem sollte bekannt sein, dass die chinesische Regierung tatsächlich Jahrzehnte lang die Bevölkerungsentwicklung stark regulierte.

In den letzten Jahren kam es allerdings zu starken Lockerungen, sodass seit 2015 jede Familie 2 Kinder bekommen darf, und sogar über eine Änderung zur 3-Kind Politik diskutiert wird, um die alternde Bevölkerung tragen zu können.

Mittlerweile also vergrößern sich die Familien, insbesondere durch die anwachsende Mittelschicht.

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Chinesische Namen – Alles rund um Namen in China

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Ältere Menschen bedauern oft den Zeitpunkt dieser Änderung, wie mir meine Gastmutter erzählte.

Sie selbst hatte immer eine Tochter haben wollen, doch mit der Geburt ihres Sohnes war dieser Traum unmöglich. Aus diesem Grund freut sie sich über jedes Mädchen, das sie als Gasttochter bewirten kann.

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